Interview: Auf der Breminale die Umwelt respektieren

Im Frühjahr 2023 hat die Breminale den Code of Conduct für nachhaltige Festivalkultur unterzeichnet. Das fünftätige Kulturfestival am Osterdeich in Bremen setzt bereits einige wichtige Maßnahmen für die Umwelt und das Klima um. Welche das sind und was dieses Engagement mit der Festival-Location zu tun hat, hat uns Nachhaltigkeitskoordinator Lukas Henschen von der Breminale im Interview verraten.

Hi Lukas, warum macht ihr beim Code of Conduct für nachhaltige Festivalkultur mit?

Das Thema Nachhaltigkeit spielt bei der Breminale seit jeher eine große Rolle. Jeden Sommer kommen bis zu 220.000 Besucher*innen an den Bremer Osterdeich und feiern über fünf Tage in direkter Nähe zur Weser und der angrenzenden Wohnbebauung. Wir veranstalten also sowohl innerstädtisch als auch naturnah. Daher ist es Teil unserer Festival-DNA möglichst respektvoll und schonend mit unserer Umwelt, Mensch wie Natur, umzugehen.

Der ganzheitliche Ansatz des Code of Conducts bietet Orientierung und hilft uns Bereiche zu identifizieren, in denen wir noch besser werden können. Dabei muss nicht jedes Festival für sich das Rad neu erfinden. Warum nicht auf die Erfahrungen und Expertise anderer zurückgreifen? Wir waren froh mit dem Code of Conduct nicht nur ein mächtiges Werkzeug auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Festival zu finden, sondern gleichzeitig auch ein starkes Netzwerk gleichgesinnter Festivalmacher*innen.

Das Open-Air-Gelände der Breminale am Osterdeich an der Weser. © Florian Reimann (DUH)

Wie und wann habt ihr im Team der Breminale angefangen, euch mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen?

Wie bereits erwähnt ergibt sich die Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltigkeit bereits aus unserem Veranstaltungsort. Daher kann ich keinen Zeitpunkt nennen, der für uns der Startschuss in dieser Hinsicht gewesen wäre. Schon lange vor meiner Zeit im Breminale-Team gab es aber beispielsweise das Deichbankett, bei dem an einer langen Tafel regionale Bio-Speisen geboten wurden. Das Thema ist also ein ständiger Begleiter, der mit der Zeit immer wichtiger wurde. 

Im Jahr 2019 haben wir unsere RESPEKT-Kampagne gestartet, mit der wir unsere Besucher*innen mittels konkreter Botschaften dazu bewegen wollen respektvoll mit der Umwelt, unseren Nachbar*innen und den anderen Festivalbesucher*innen umzugehen.

Wie ist der Bereich Nachhaltigkeit bei euch im Team verankert – gibt es eine oder mehrere zuständige Personen? Wie trefft ihr Entscheidungen?

Als Koordinator für Nachhaltigkeit bin ich erster Ansprechpartner für alle Fragen im breiten Bereich Nachhaltigkeit. Da es sich jedoch oft um Querschnittsthemen handelt, die auch andere Bereiche wie Gastronomie oder Infrastruktur betreffen, ist der Austausch im Team besonders wichtig. Dazu treffen wir uns mindestens einmal die Woche im großen Breminale-Team.  Ich finde es wichtig, dass das Thema Nachhaltigkeit bei allen Mitarbeitenden zumindest in Grundzügen präsent ist und so im Team ein dauerhaftes Bewusstsein für die unterschiedlichen Aspekte der Nachhaltigkeit wachsen kann.  Man könnte sagen, ich arbeite daran meinen Job obsolet zu machen.

Ein Bereich, in dem ihr seit längerem aktiv seid, ist Mehrweg. Was setzt ihr um und wofür setzt ihr euch ein? Was macht das Thema so in euren Augen so wichtig?

Richtig, nach einem Probelauf auf der corona-bedingt kleineren Breminale Dezentrale im Jahr 2021 setzen wir seit der Breminale 2022 beim gastronomischen Angebot konsequent auf Mehrweggeschirr. Das bedeutet konkret, dass wir den Betreiber*innen der Essensstände den Einsatz von Einweggeschirr untersagen. Wer seine Speisen nicht „auf die Hand“ in Serviette oder Brötchen anbieten kann, muss entweder sein eigenes Mehrweggeschirr mitbringen oder aber sich am Mehrweg-Poolsystem beteiligen.

ein Essensstand auf der Breminale
An den Essensständen auf der Breminale wird nur noch Mehrweg-Geschirr ausgegeben. © Florian Reimann (DUH)

Dass uns das Thema Mehrweg so sehr am Herzen liegt, ist erneut unserem Veranstaltungsort an der Weser geschuldet. Es passiert nicht selten, dass die Fläche während des Festivalbetriebs durch die Flut überschwemmt wird. Alles was dann noch auf dem Boden liegt landet potenziell erst in der Weser, dann in der Nordsee. Durch den Einsatz von Mehrweggeschirr können wir einen Großteil des sog. Litterings vermeiden und den Umwelteintrag von Schadstoffen reduzieren. Und mal abgesehen von den ökologischen Aspekten: Die Fläche sieht ohne umherfliegende Verpackungsabfälle und überlaufende Mülleimer auch einfach schöner aus.

Neben diesen offensichtlichen Vorteilen spielen beim Thema Mehrweg auch Themen wie Ressourcenschonung und auch Klimawandelpotenzial eine Rolle. Um diese Aspekte besser bewerten zu können arbeiten wir zusammen mit dem Institut für Energie und Kreislaufwirtschaft an der Hochschule Bremen und dem BUND Bremen im Projekt zoCat. Im Frühjahr 2024 veröffentlichen wir ein digitales Entscheidungshilfesystem, mit dem Veranstalter*innen die für sie unter verschiedenen Gesichtspunkten nachhaltigste Geschirrauswahl bestimmen können. Das Tool wird kostenlos zugänglich sein und wir schicken euch gerne eine Launch-Benachrichtigung.

Welche klima- und umweltfreundlichen Neuigkeiten habt ihr bei der letzten Edition auf der Breminale umgesetzt?

Wir sind 2023 noch ein wenig strikter bei unserem Mehrwegsystem geworden und haben gleichzeitig ein neues Bereichskonzept für Mehrweg und Müll eingeführt. Das hat uns geholfen die Standbetreiber*innen bei ihrem Mehrwegeinsatz noch besser zu unterstützen und den Platz insgesamt sauber zu halten. Unsere Bereichsteams haben sich dabei unter anderem auf die Bewältigung der Flut an Bierflaschen auf dem Gelände konzentriert. Als Umsonst-und-Draußen in zentraler Lage stellt die schiere Masse an mitgebrachten Flaschen eine logistische Herausforderung dar. Daher haben wir Flaschenregale auf dem Gelände verteilt, die wir für bessere Sichtbarkeit mit Unterstützung unserer Freund*innen von der RENN.nord mit Beachflags markiert haben.

Auch im Bereich Mobilität hatten wir einige Neuerungen. Für den Materialtransport am Deich hatten wir E-Cargo Bikes von Rytle im Einsatz. Diese und weitere (Lasten-) Fahrräder konnten unsere Besucher*innen am Sonntag dann auch auf der BIKE-INALE, unserer Festival-Fahrradmesse, ausprobieren. Außerdem konnten wir mit Hilfe der neuen App Crowd Impact erstmals belastbare Daten über die Anreisemobilität der Festivalbesucher*innen sammeln. Die Ergebnisse der Befragung helfen uns zukünftig dabei die Mobilitätsemissionen der An- und Abreise zu senken.

Was erhofft ihr euch vom Netzwerk “Zukunft Feiern!”?

Das Netzwerk besteht aus vielen unglaublich engagierten Personen, die auf ihren Festivals und in ihren Clubs bereits vieles erreicht und umgesetzt haben. Daher ist das „Zukunft Feiern!“-Netzwerk Inspirations- und Motivationsquelle. Ich freue mich auf viele weitere Workshops, runde Tische und gemeinsamen Austausch und hoffe, dass noch viele weitere Festivals dazustoßen.