Der Hamburger Club Uebel & Gefährlich ist bekannt für legendäre Konzert- und Clubnächte, aber auch als Vorreiter für Nachhaltigkeit in der lokalen Clubszene. Als Erstunterzeichner ist der Club seit Beginn des Code of Conduct im März 2022 beim Hamburger Netzwerk von Zukunft Feiern dabei. Wir haben mit Frank Husemann, Technischer Leiter und Teil des Nachhaltigkeitsteams im Uebel & Gefährlich, über das smarte Kühl- und Lüftungssystem und weitere neue Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Club gesprochen.
Was hat euch motiviert, den Code of Conduct “Zukunft Feiern!” zu unterzeichnen?
Vor allem die Erkenntnis, dass jahrelang sehr wenig oder in manchen Bereichen nichts für die Verbesserung der Ökobilanz unternommen wurde. Ausgelöst durch die Proteste der Fridays For Future-Bewegung wurde ich zum Nachdenken angeregt und habe mich schnell aktivistisch engagiert. Dieses Handeln auch auf meinen Arbeitsplatz auszuweiten war somit nur logisch. Der Code of Conduct liefert zudem einen Fahrplan mit Handlungsfeldern – das ist sehr hilfreich bei der Priorisierung der nachhaltigen Umsetzungen. Zusätzlich ist die Motivation größer, wenn klar ist, welche und wie viele Clubs sich hier in Hamburg mittlerweile auch engagieren.
Ihr habt im Uebel & Gefährlich ein smartes Kühlsystem eingeführt. Wie war der Prozess von der Idee bis zur Umsetzung der Automatisierung?
Die Idee kam uns Anfang 2023, als eine hohe Nachzahlung für Strom fällig wurde. Der Strompreis hatte sich drastisch erhöht und deshalb gab es nicht nur aus Nachhaltigkeits-, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen dringenden Handlungsbedarf. Unser Geschäftsführer hat uns deshalb den Kontakt zu der Firma Agilr hergestellt, mit denen wir ein Pilotprojekt gestartet haben. In einem repräsentativen Zeitraum mit vielen Veranstaltungen von Mitte Mai bis Mitte Juni 2023 wurde im Club mit stationären Messgeräten und der entsprechenden Software der Verbrauch einzelner Geräte, aber auch ganzer Stromkreise gemessen. So haben wir Einsparungspotentiale und unnötige Verbräuche identifiziert. In der Mitte der Messphase wurden zum Test schon einzelne Kühlgeräte automatisiert und erst kurz vor Veranstaltungsbeginn eingeschaltet und direkt danach wieder ausgeschaltet. Im Gegensatz zum vorherigen Ablauf, bei dem die Geräte fast durchgängig liefen, zeigte sich ein Einsparpotenzial von bis zu 47 Prozent. Generell erwies sich die gesamte Kühltechnik als Bereich mit dem höchsten Einsparpotential. Deshalb haben wir den Fokus zunächst darauf gelegt.
Auch die Lüftung habt ihr automatisiert. Wie funktioniert das?
Die Lüftungsanlage, die wir 2021 neu eingebaut haben, ließ sich über entsprechende Anschlüsse leicht automatisieren. Die Messwerte der Anlage im Pilotprojekt haben einen Anteil am Gesamtstromverbrauch von 10 bis 20 Prozent pro Veranstaltung ergeben. Deshalb wollten wir auch die Lüftungsanlage in die Automatisierung einbeziehen. Die Automation misst an zwei Stellen im Club CO2, Temperatur und Luftfeuchtigkeitswerte und generiert daraus die nötige Lüftungsintensität, die direkt an die Motoren übermittelt wird. Das System lernt selbstständig hinzu und kann so teilweise schon voraussehen, wann die Veranstaltung voller wird, um dann früher und intensiver tätig zu werden. Zusätzlich kann eine speziell für uns angepasst Software über unser Planungstool „co*pilot“ die Start- und Endzeiten der Veranstaltungen auslesen. Die Automation funktioniert somit komplett selbstständig, ohne dass wir die Termine einpflegen müssen.
Wann hat sich die Anlage amortisiert und wie viel habt ihr in etwa investiert?
Wir haben etwa 5000 Euro nur für die Messphase investiert und circa 13.000 Euro für die nötige Hardware wie Messgeräte, Server, und Netzwerktechnik, sowie die Steuerungssoftware mit einem iPad als Fernbedienung und für das Monitoring. Bei den anvisierten Einsparungen von 30 bis 40 Prozent am Gesamtstromverbrauch hat sich die Investition in bestenfalls drei und spätestens in vier Jahren durch die Stromeinsparung amortisiert, gemessen am jetzigen Strompreis. Das lässt sich verlässlich aber erst nach einem kompletten Jahr Betrieb sagen, in unserem Fall also Ende August 2024. Die Automation läuft zu 98 Prozent fehlerfrei, von gelegentlichen WLAN-Problemen und Stromausfällen mal abgesehen.
Läuft der Club der Zukunft komplett digitalisiert und automatisiert?
Auf gar keinen Fall, denn vor allem sicherheitsrelevante Installationen wie Sicherheitsbeleuchtung und Entrauchungen müssen immer funktionieren und sollten nicht über eine Automation stromlos gestellt werden können. Auch die Veranstaltungstechnik wie Ton- und Lichtanlagen sollte davon losgelöst betrieben werden. Eine Automation könnte die Durchführungssicherheit von Veranstaltungen gefährden, denn jede Fehlerquelle sollte vermieden werden. Der Mensch ist hier noch sehr wichtig und sollte auch wichtig bleiben. Zumindest bei uns ist eine tiefergehende Automation nicht geplant und sinnvoll. In anderen Betrieben kann das natürlich anders aussehen.
Welche weiteren Nachhaltigkeitsmaßnahmen plant ihr?
Speziell im Bereich Mülltrennung und -vermeidung gibt es bei uns aufgrund der Baustellensituation und dem Platzmangel noch starke Defizite. Wir suchen auch nach Möglichkeiten, mehr Getränke in Pfandbehältnissen zu beziehen. Ein Awareness-Team und -Konzept ist im Aufbau und wird schon bei einigen Veranstaltungen angewandt. Ansonsten sind durch die bauliche Situation leider enge Grenzen gesetzt. Sonst wäre eine Photovoltaik-Anlage sicherlich wünschenswert, ist aber bei uns vor Ort leider nicht umsetzbar.
Wie hilft euch der Austausch im Netzwerk “Zukunft Feiern!”?
Im Netzwerk wurden schon viele Inspirationen gesammelt und teilweise umgesetzt. Es hilft zu wissen, dass nicht nur wenige Personen etwas machen, sondern mittlerweile viele Clubs in Hamburg und Berlin und zunehmend auch deutschlandweit. Es gibt viele Aktionen und Denkanstöße. Der monatliche Runde Tisch von Zukunft Feiern in Hamburg ist mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Clubarbeit. Wir versuchen so viel Zeit und Energie wie möglich außerhalb und innerhalb unseres momentan sehr mühevollen Cluballtags in Nachhaltigkeitsthemen zu investieren. Das Netzwerk Zukunft Feiern und vor allem Jette vom Clubkombinat sind die Motivator*innen, die uns immer wieder anstupsen.